Erwachsenen-ADHS

Personen die an einem ADHS (Aufmerksamkeit Defizit Hyperaktivitäts Syndrom) leiden sind leicht ablenkbar, haben eine sehr interessensgeleitete Aufmerksamkeitsspanne, bringen einmal begonnene Tätigkeiten oft nicht zu Ende und sind häufig desorganisiert. Dies erschwert das Zusammenleben mit anderen Menschen, führt häufig zu Konflikten und in der Folge oftmals zu anderen zusätzlichen psychischen Erkrankungen. In diesem Fall spricht man von Komorbidität. Häufige Komorbiditäten treten mit Suchterkrankungen auf. Dabei finden Betroffene eine Möglichkeit ihre Krankheit mit Substanzen selbst zu „behandeln“. Dies kann zu substanzbezogenen Störungen (in etwa 30% der Fälle) führen. Andere Komorbiditäten sind Depressionen (40 %) und Persönlichkeitsstörungen (50 %).

Seit kürzerer Zeit wird ADHS auch als eine Erkrankung des Erwachsenenalters wahrgenommen. Bei etwa 60 Prozent der betroffenen Kinder endet die Störung nicht mit dem 18. Lebensjahr, verändert sich allerdings in ihrer Art und Ausprägung. Beispielsweise weicht der motorische Bewegungsdrang bei Kindern einer ständig vorhandenen inneren Unruhe bei Erwachsenen. Verminderte Aufmerksamkeit, Desorganisation, das Aufschieben von Dingen und Stimmungsschwankungen treten oft in den Vordergrund.

Wie bei vielen psychischen Störungen ist auch das Krankheitsbild von ADHS auf genetische und umweltbedingte Faktoren zurückzuführen. Gibt es in der Familie bereits ein ADHS so ist das Risiko, dass andere Familienmitglieder auch daran erkranken etwa 5x so hoch. Darüber hinaus spielen auch Umwelteinflüsse eine Rolle. Dazu zählen Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, ein geringes Geburtsgewicht, Alkoholmissbrauch und Tabakkonsum. Frühkindliche Vernachlässigung (Deprivation) kann den Schweregrad von ADHS erhöhen. 

Die drei Leitsymptome des ADHS sind:

Aufmerksamkeitsstörung

Betroffene sind rasch ablenkbar und verlieren sich in Details. Deshalb arbeiten sie ineffizient und langsam. 

Hyperaktivität 

Betroffene sind unruhig, ruhelos, innerlich angespannt und fühlen sich getrieben. Gesteigerter Redefluss, nicht still sitzen können führt zu auffälligem Verhalten. Sie versuchen oftmals ihre Hyperaktivität durch (exzessiven) Sport auszugleichen.

Impulsivität und Affekt-Labilität 

Impulsive Menschen handeln öfters „aus dem Bauch heraus“ ohne die Konsequenzen ihres Handelns zu überdenken. Sie sind öfters in Alltagssituationen ungeduldig und schnell gereizt. Plötzliche Stimmungsschwankungen mit Wutausbrüchen können auftreten.

Nicht alle drei Leitsymptome treten bei jedem Betroffenen gleich stark auf. So lassen sich drei Subtypen unterscheiden:

a) Kombinierter Typ (alle drei Symptome ungefähr gleich gewichtet)

b) Vorwiegend unaufmerksamer Typ (Aufmerksamkeitsstörung im Vordergrund, Impulsivität und Hyperaktivität eher gering oder nicht vorhanden)

c) Vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typ (Impulsivität und Hyperaktivität im Vordergrund, Aufmerksamkeitsstörung eher untergeordnet und nicht problematisch)

Die klinisch-psychologische Diagnostik der ADHS bei Erwachsenen ist umfangreich und zeitaufwendig, geht es ja darum die Daueraufmerksamkeitsstörung bestmöglich zu erfassen und abzubilden. Mithilfe einer Kombination von Persönlichkeits- und Leistungstestverfahren werden alle Aspekte der Persönlichkeit erfasst und eventuell vorhandene Differentialdiagnosen (Prodromalstörung, Persönlichkeitsstörung, Organizität) ausgeschlossen. Ein ausführliches Explorationsgespräch geht mit der Diagnostik einher, eine spätere Befundbesprechung rundet das Verfahren ab und erläutert dem Betroffenen seine Ergebnisse. 

ADHS biologische Ursachen und deren psychologische Diagnostik

ADHS, die Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörung, tritt zum Großteil (in 75% der Fälle) als gemischtes Erscheinungsbild auf, wo sowohl unaufmerksame, hyperaktive als auch impulsive Symptome auftauchen. Am zweithäufigsten ist die sogenannte ADS bei der keine oder kaum hyperaktive und impulsive Symptome zu beobachten sind und wo die Unaufmerksamkeit im Vordergrund steht. Das amerikanische Diagnosesystem DSM-5 kennt, im Unterschied zum ICD-10 dem internationalen System der WHO, noch ein vorwiegend hyperaktiv-impulsives Erscheinungsbild ohne Aufmerksamkeitsdefizite, das jedoch selten zu beobachten ist.

Vor allem im Frontalhirnbereich ist das Dopamintransportprotein und das Noradrenalintransportprotein in überdurchschnittlich hoher Menge vorhanden. Dies führt dazu, dass Dopamin zu rasch aus dem synaptischen Spalt verschwindet und ins Neuron geleitet und abgebaut wird. Es kommt also zu einer zu raschen Wiederaufnahme des Botenstoffes Dopamin, der dadurch seine Aufgabe der Steuerung der kognitiven Funktionen und der Kontrolle der Aktivität nicht erfüllen kann. Dies gelingt dann nur, wenn mehr Dopamin ausgeschüttet wird, wie es beispielsweise bei überaus interessanten Tätigkeiten, einem hohen Zeitdruck oder auch beim Sport geschieht.

Aus diesem Grund muss bei der psychologischen Diagnostik darauf geachtet werden, dass einerseits die verwendeten Testverfahren genügend interessant sind, um zu einer Mitarbeit zu motivieren, aber andererseits nicht überdurchschnittlich fordernd sind, so dass möglicherweise eine höchst motivierende Situation geschaffen wird. Dann würde das Testergebnisse nämlich die maximale Leistungsfähigkeit des/der Untersuchten abbilden und unter diesen Bedingungen kann auch bei ADHS-Betroffenen durchaus eine normgerechte Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit auftreten.

Medikamente, beispielsweise Methylpenidat (das u.a. auch unter dem Handelsnamen Ritalin bekannt ist) hemmen die Wiederaufnahme von Dopamintransportprotein und wirken so gegen die Symptomatik (kognitive Beeinträchtigungen und mangelnde Kontrolle der Aktivität). Deshalb sollten solche Präparate am Tag der Testung nicht eingenommen werden. Sie würden das Testergebnis insofern verfälschen, als die Ursache der eventuellen ADHS ausgeschaltet würde und diese nicht verifiziert werden könnte.

ADHS
Dr. Wolfgang Neuwirth in der Ordination in 1170 Wien